Ein Jahresend- und doch eher Zwischenruf

Achtung, es wird etwas länger. Und auf den ersten Blick vielleicht ein wenig wild. Aber am Ende schließt sich der Kreis möglicherweise doch.  

Lang ist es her, dass hier ein frischer Text erschien. Dafür ist vieles Drumherum frisch bei uns. Gleichzeitig auch abgespannt, angestrengt und innerlich weniger erneuert, als äußerlich. Woher soll sie aber immer kommen, die Energie, Zuversicht und Stärke? Von außen? Auch in diesem Jahr sicher weniger.

Von innen? Schon eher. Aber auch die leistungsstärkste und resilienteste „Feel-good-think-positiv-Glas-halbvoll“-Brutstätte bekommt irgendwann mal eine Delle im Leistungsvermögen, wenn sie nicht hin und wieder von außen unterstützt und genährt wird.

Und, AUCH DAS NOCH…, inmitten einer solchen, sagen wir mal, mental leichten Flaute nun also das Jahresende vor Augen. Bzw. dieses Jahr nahezu hinter uns.

Auf dem Weg in die Zukunft

Das Jahr, von dem wir zu Beginn dachten, mit Corona & Co den bis dato vermeintlich ärgsten vorstellbaren Gegner nach zwei Jahren endlich pragmatisch in den Griff bekommen zu können. Vor Augen also Erwartungen an positive Veränderung, etwas mehr neue Normalität, wieder mehr Spiel- und Freiraum und endlich wieder die Möglichkeit zur Umsetzung. Bei immerhin und trotz allem stolzen 18 Jahren auf der Firmenuhr!

Wer dies hier liest, hat sich offenbar in voller Absicht auf die Seite eines Personaldienstleisters und zudem sogar bis zu diesem Beitrag begeben. Danke, schön! Dann ist Ihnen vermutlich auch das Thema ARBEIT insofern nahe und vertraut, als dass es von mehr als nur einer Seite angegangen werden kann und hierzulande (kontrolliert, geregelt und gefördert) darf. Die Erwartung mag sich dabei für jede Person individuell darstellen. Die Gemeinsamkeiten sind meiner Einschätzung nach für alle jedoch gleich bis sehr ähnlich.

Dieses Thema, die Gelegenheit hier und meine bescheidene „Fachkenntnis“ von beiden Seiten der Medaille veranlassen mich also am Ende eines weiteren bewegten Arbeits- und Lebensjahres zu diesem Resümee und Text.

Eine Frage der Selbstverantwortlichkeit

Jeder Mensch, in egal welcher Funktion und Position sucht Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit. Am Ende (genauer, von Geburt an) brauchen wir genau solche Eckpfeiler, um uns überhaupt individuell entwickeln zu können. Und hier mache zumindest ich auch keinen Unterschied zwischen dem privaten und dem Berufsleben aus.

Nur stellt sich jedoch mit allen Krisen und Unabsehbarkeiten, die sich seit (aller-)spätestens 2020 nun tatsächlich nicht mehr weg reden lassen die Frage, wie wir es schaffen können, dennoch die Wege, Mittel und Strukturen auch unter wechselnden Bedingungen und oftmals nicht genügend entschlüsselten Herausforderungen zu schaffen, um eben diese Bedürfnisse maßvoll dennoch so gut wie möglich zu erfüllen. Für alle Menschen. In egal welcher Funktion und Position. Und egal, ob auf Seiten derer, „die Arbeit nehmen“ (indem sie Arbeit leisten) oder auf Seiten der Arbeit“gebenden“ (wobei sie sie gleichermaßen annehmen).

Wahrheit liegt nicht im Auge des Betrachters

Alles hängt mit allem zusammen. Diese Erkenntnis hat Allgemeingültigkeit. Nicht nur in Bezug auf den Klimawandel und die Rolle des Menschen dabei. Nicht erst in Bezug auf Globalisierung und Lieferketten. …Bitte setzen Sie beliebig weiter fort…. Diese Erkenntnis muss auch angewendet werden für die Zusammenhänge, die im Arbeitskontext gelten. Die wiederum direkt sowie indirekt auf die privaten Lebensumstände einzahlen.

Ähnlich, wie die eingangs beschriebene, leider!, unmögliche ausschließlich eigenständig vorzunehmende Auffüllung des sinnbildlich halbvollen Glases, ist es weder einem Unternehmen (klein / mittel / und nein, endlos auch nicht einem großen) möglich, rein Kraft des Status‘ als Arbeitgebender zu sichern, zu stabilisieren und Planbarkeit zu haben. Wenn, ja wenn nicht alle mitziehen bei den Anstrengungen, die dies jeweils erfordert.

Um es ganz klar zu sagen, weder verteidige ich hier pauschal irgendein Was noch Maß noch Mittel! Was ich aber als Unternehmerin und Arbeitgeberin sage ist, dass man von einer Firma fordern kann, was man möchte. Wenn es nicht zuverlässig = planbar und realistisch gegeben werden kann, hat keiner etwas davon. Soviel Ehrlichkeit muss sein.

Mir scheint jedoch, als würde ein IST-Zustand von einem Teil der Menschen so und vom anderen komplett anders bewertet werden können. „Objektive Wahrheit“, ich weiß… Aber um beim Bild mit dem Glas zu bleiben: Ein Glas austrinken und für die nächste Füllung nicht sorgen, ergibt beim nächsten Durst das Nachsehen. Mal füllt man selber. Mal lässt man füllen. Aber es muss etwas da sein, womit gefüllt werden kann. Und leer ist erstmal leer. Wer ist dafür „zuständig“, Systeme am Laufen und individuelle Selbstverwirklichungskurven steil nach oben zu ermöglichen? Das Interesse daran verbindet m. E. nach alle. Die Überlegungen dazu bzw. erst einmal die schlichte Akzeptanz des Umstandes an sich müssen jedoch alle leisten. Wenn es gelingen soll zumindest.

Trotz aller bekannten IST-Zustände und Umstände in Berlin, in Deutschland, in Europa und der Welt, trotz gemeinsam durchlebter schwieriger Momente und x „points of no return“ allein in den letzten drei Jahren erfolgt jedoch, wie in Stein gemeißelt, die Zuschreibung bestimmter Attribute der einen oder anderen Gruppe, Seite oder Instanz. Nicht alle, sondern immer DIE!

„Tja, wir haben halt einen ArbeitNEHMERmarkt! ICH muss nichts.“. Je nach Altersgruppe, und tatsächlich über die Generationen hinweg, variierte in diesem Jahr die Ausformulierung der Aussage. Der Tenor blieb jedoch der selbe.

Weshalb der Mittelweg golden ist

Meiner Meinung nach weiß „die Menschheit“ zu viel, haben wir zu viel erkannt und bemängeln wir zu viel, als das es einer Seite, egal, welcher, gut stünde, sich auf unverrückbare Standpunkte zurück zu ziehen. Oder auch, nur die Themen ausgiebig zu beleuchten, die man selber präferiert, die „dem Zeitgeist“ entsprechen, die Kontroversen und damit „Sichtbarkeit“ erzeugen oder, die einem auf die eine oder andere Weise in die eigenen Karten spielen. Nein, sicher nicht!

Der (Mittel-)Weg, im Kleinen wie im Großen, liegt im fairen, offenen und flexiblen Dialog (nicht im Diktat der einen wie der anderen Seite), in der Auslotung und gemeinsamen Verhandlung von echten MÖGLICHKEITEN auf Augenhöhe, die ohne Erpressung auskommen, sowie im Suchen und Finden neuer Wege. Wenn Vorgehensweisen usw. sich als überholt herausgestellt haben, was müssen wir alle miteinander dann Besseres tun, als gemeinsam nach jetzt stimmigen Lösungen zu suchen? Weder ein Arbeitgebender noch ein Arbeitnehmender sind in der jeweils alleinigen Bringschuld – wer vorankommen möchte, muss versuchen, DASS es geht. Bei Forderungen, Beharren oder Verweigerung jedenfalls kann es nicht enden, wenn es gelingen soll. Das bedeutet noch lange nicht, dass immer alle bekommen, was sie wollen. Manchmal nicht mal das, was sie brauchen. Es geht nicht immer schnell und es ist nicht immer leicht. Aber es gibt dazu aus meiner Sicht keine probate Alternative.

Keine Frage des Alters

Ist diese Herangehensweise nicht eigentlich auch alterslos? Bzw. stellt sich die Frage, was die Generationen, die heute noch, schon und schon bald auf dem Arbeitsmarkt stehen, nicht alles miteinander verändern, schöpfen und schaffen könnten (dass sie es müssen, ist offensichtlich). WENN SIE NUR MITEINANDER statt gegeneinander im Gespräch sind. Wer kann und will es sich denn leisten, andere herabzureden, sich selber zu erhöhen – und warum? Worum geht es?

Feststellen ist wichtig. Das zu lösen bzw. zu verändern, was realistisch für alle beteiligten Seiten tragbar umgesetzt werden kann, umso wichtiger. Auch 2023 werden wieder 1000 Themen en voge, 1000 Ideen in die Arbeitswelt gebracht und 1001 monierende / anklagende / moralinsaure und z. T. überraschend naiv maßlose Zeigefinger-Beiträge auf LinkedIn & Co geschrieben werden.

Dass wir allein in Berlin viele Themen in allen Bereichen haben, ist zutreffend. Dass die Arbeitswelt sich, gemessen an unserer Lebenswelt verändern wird, ist offensichtlich. Dass insgesamt vieles besser geht und gemacht werden muss – ist keine Frage mehr! Wie wird es aber werden? Nur durch konkretes und aktives Handeln, und nicht durch wortreiche, druckvolle Besprechungen, Schuldzuweisungen und allseitige Verhärtungen. Eben MITEINANDER!

Miteinander können wir nicht erst morgen ziemlich viele „Dellen“, Krisen und anstehende Herausforderungen mutig, auf neue Weise und auf neuen Wegen insgesamt sowohl bewältigen, als auch als verbindende, nährende Erfolgserfahrung nutzen.

Es ist hierzulande (noch) alles da, was es braucht. Denn es sind (noch) alle da, die es braucht.

Nur müssen wir unbedingt wieder aufmerksamer werden, den Beginn aller Arbeit und Anstrengung nicht reflexartig zuerst in Zuweisungen im Außen, sondern in einer realistischen, individuellen inneren Bestandsaufnahme aufzunehmen. Behäbigkeit, griffige Generationsschlachtrufe und Allgemeinplätze etc. helfen, egal wo, real nicht weiter. Wer konstruktiv, zielorientiert und zupackend wirklich etwas erreichen möchte, muss die Frage nach Inhalt und Nachfüllung des o. g. Glas einfach mitdenken  – sonst findet man, nach meiner Erfahrung, auch nur sehr überschaubar und keinesfalls allgemeingültig nachhaltig die erträumte Erfüllung.

8 Milliarden gleiche Individuen im selben Boot

Heute mehr denn je ist es daher das Verbindende, für das ich sowohl persönlich als auch im unternehmerischen Kontext eintrete, das ich suche und auf das ich setze. Ich kenne den jugendlichen Sturm und Drang, ich kenne Unzufriedenheit und Ungeduld, Ohnmacht und Resignation. Unterm Strich aber, und das ist mittlerweile ein wenig Lebenserfahrung und vielen, vielen (natürlich auch schmerzhaften) Lernerfahrungen geschuldet, weiß ich, dass das, was wir gemeinsam haben das ist, was uns immer wieder neue Spielräume eröffnet und stärker machen kann.

Deshalb BITTE, vergessen wir zuallererst niemals, dass es sich immer und überall um MENSCHEN handelt, die unabhängig von ihrer Funktion, ihrer Position, von ihren Werdegängen und ihrem Status als Menschen gesehen und mit Anstand, Fairness und Offenheit behandelt werden müssen. Es gibt keine Grenze zwischen privat und öffentlich, zwischen dem beruflichen und persönlichen Ich und es darf sie auch nicht zwischen „real“ und „im Netz“ geben! Unser Menschsein, die kleinste aller Schnittmengen ist es, die uns eint. Und mit kaum jemandem oder etwas kennt man sich doch heutzutage besser aus, als mit sich selbst und dem eigenen Ego, oder. Somit könnte es also 2023 hoffentlich endlich wieder leichter fallen, seinen Kompass entsprechend auszurichten:

Was mir gut tut, tut vielleicht auch meinem Gegenüber gut. Ganz sicher aber schadet meinem Gegenüber, was ich selber mir verbitte.

Sollte zu schaffen sein, oder!

Auf ein gesundes, gutes und miteinander gestaltbares 2023

Herzlich und (nahezu) allzeit zuversichtlich

Anja Rabe